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Technische Dokumentation – Mehr als der zerknitterte Beipackzettel

Julian Meier 4 Min.


Mangelhafte technische Dokumentation kann gravierende Folgen für Hersteller und für Verbraucher haben. Dieser Blogbeitrag handelt von aktuellen Pannen sowie von vergangenen Unfällen und liefert interessante Fakten zur technischen Dokumentation.

Egal, ob bei der Markteinführung neuer Produkte oder für die korrekte Bedienung und Wartung von Maschinen: Eine unvollständige oder inhaltlich minderwertige Bedienungsanleitung kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, sowohl für Verbraucher als auch für Hersteller. Die jüngsten Ereignisse zeigen das Ausmaß einer mangelhaften technischen Dokumentation:

    Marine-Hubschrauber schraubt sich vorerst nicht in den Wolkenhimmel

    Im Oktober 2019 lehnte die Bundeswehr es ab, den Marine-Hubschrauber vom Typ Airbus NH90 "Sea Lion" in Betrieb zu nehmen. Die technische Dokumentation des Hubschraubers war an über 150 Stellen mangelhaft, was beispielsweise Instandhaltungsarbeiten am Rotorflugzeug unmöglich machte, so eine Stellungnahme der Bundeswehr. In diesem Fall hat außer dem Image des Herstellers niemand Schaden genommen, denn der Hubschrauber bleibt vorerst auf dem Boden. Zudem hat die Bundeswehr den Hersteller zur Nachbesserung der Anleitungen verpflichtet. Nicht ganz so glimpflich endete der folgende Fall aus dem Jahr 2001:

      Zwischenfall in Holzwerk sorgt für Denkanstoß

      Nachdem sich ein Holzstück in der Kappsäge einer Anlage zum Schneiden von Leimbindern verkantet hatte, stockte die Maschine. Der Mitarbeiter, der die Kappsäge von einem Schaltpult aus bediente, rief zwei Kollegen zu Hilfe. Die drei Arbeiter betraten den Bereich der Säge, um die Betriebsstörung zu beheben. Eine Unachtsamkeit der Mitarbeiter setzte die Schneidemaschine jedoch wieder in Gang. Daraufhin wurde ein anrollender Leimbinder auf einen der Mitarbeiter gedrückt, wodurch er schwere Verletzungen erlitt.

      Nach dem Vorfall stellte sich heraus, dass das Personal des Holzwerks nicht ausreichend geschult gewesen war, um die Schneideanlage zu bedienen. Außerdem war der Arbeitsunfall für das Unternehmen Anlass, eine Zutrittsabsicherung im Bereich der Kappsäge zu verbauen. Die Ermittlungen ergaben, dass eine solche Zutrittsabsicherung und eine intensive Schulung der handelnden Personen einen derartigen Unfall hätten vermeiden können.

      Wenn Sicherheitshinweise in der Bedienungsanleitung oder Warnschilder und Sicherheitsvorkehrungen am Gefahrenort fehlen, bedeutet das nicht nur ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für den Nutzer, sondern schadet auch den produzierenden Unternehmen, noch bevor sie ihre Produkte in Umlauf bringen. Diesen Umstand verdeutlicht der nächste Fall:

        Nutzung von Hoverboards unvollständig dokumentiert

        2017 beschlagnahmte der Zoll Lüneburg eine Lieferung von 1145 Hoverboards. Der Grund für die Beschlagnahmung war vermeidbar: Die technische Dokumentation der futuristisch angehauchten Zweiräder war unzureichend. Neben den fehlenden Warnhinweisen in der Bedienungsanleitung war von einer CE-Kennzeichnung zudem keine Spur zu finden.

        Wenn Hersteller eine CE-Kennzeichnung an ihren Produkten anbringen, wird dem Verbraucher signalisiert, dass das Produkt den geltenden europäischen Vorschriften entspricht und es dem Verfahren zur Bewertung der Konformität unterzogen wurde.

        Das Zollamt informierte die Marktüberwachungsbehörde, die die Hoverboards als unsicheres Produkt einstufte und deren Wiederausfuhr nach China beantragte.

        Dem im Landkreis Harburg ansässigen Unternehmen muss diese Maßnahme bitter aufgestoßen sein: Die Hoverboards im Gesamtwert von 75000 Euro wurden nur wenige Wochen nach ihrer Einfuhr wieder in Richtung China zurückgesendet.

        Doch bedeutete dies Glück im Unglück für den Vertrieb, denn die Wiederausfuhr nach Fernost verhinderte möglicherweise Schlimmeres. Abgesehen von potenziellen Verletzungen der Nutzer des Hoverboards durch die fehlenden Warn- und Sicherheitshinweise, hätten möglicherweise Klagen aufgrund von Sachmängeln das Postfach des Unternehmens gesprengt. Worauf Verbraucher sich bei Sachmängeln berufen können, schildert folgendes Beispiel:

          Ikea-Klausel schützt Verbraucher

          Haben Sie schon einmal von der Ikea-Klausel gehört? Nein? Macht nichts. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen mit Ihrem Partner eine Kommode für Ihr neues Schlafzimmer in einer der Filialen des schwedischen Einrichtungskonzerns. Nachdem Sie sich mit Köttbullar gestärkt haben sowie um ein paar Bleistifte und Maßbänder reicher sind, fahren Sie mit ihrer neu erworbenen Kommode nach Hause und bauen diese gleich auf. Die Montage gelingt Ihnen, bis Sie auf der Zielgeraden merken, dass Sie die Schubladen verkehrt herum montiert haben. Die Löcher haben Sie bereits gebohrt und die Kommode ist aufgrund des Fehlers unbrauchbar. Nach einer hitzigen Diskussion mit Ihrem Partner, wer für das Malheur verantwortlich ist, fällt Ihnen auf, dass nicht Sie den Fehler gemacht haben, sondern die Montageanleitung an der entscheidenden Stelle nicht korrekt ist. Gut, dass es die Ikea-Klausel gibt, die besagt:

          Wenn eine Montageanleitung fehlerhaft oder unverständlich ist, ist dies gleichzusetzen mit einem Sachmangel.

          Laut §434 Abs. 2 S. 2 BGB ist eine fehlerhafte Montageanleitung als Sachmangel einzuordnen. Wenn der Kunde aufgrund der fehlerhaften, unvollständigen oder für den Verbraucher unverständlichen Montageanleitung das Produkt falsch zusammenbaut, hat der Kunde das Recht, das Produkt zurückzugeben oder umzutauschen.

            Technische Dokumentation ist wichtiger Bestandteil jedes Produkts

            Abschließend lässt sich feststellen, dass die technische Dokumentation viel mehr ist als ein "Beipackzettel", sondern ein essentieller Bestandteil jedes Produkts. Ohne eine korrekte Bedienungsanleitung dürfen Produkte in vielen Fällen nicht auf den europäischen Markt gebracht werden, was der Fall der Hoverboards verdeutlicht. Normenkonforme Warn- und Sicherheitshinweise sorgen zudem dafür, dass Verbraucher bei deren Einhaltung die Produkte mit gemindertem Risiko nutzen können.

            Wenn Sie eine normenkonforme und fehlerfreie technische Dokumentation oder Beratung in Technischer Kommunikation benötigen, unterstützen wir Sie gerne. Kontaktieren Sie uns über das Kontaktformular.

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