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AR im Service – Was spricht dafür?

Evelyn Heller 5 Min.


Digitalisierung und Vernetzung, technisch hochkomplexe Maschinen, zahlreiche Produktvarianten – all das lässt auch die Arbeitswelt von Service-Technikern immer komplexer werden. Demgegenüber stehen extremer Zeitdruck und die Anforderung, Probleme so schnell und effizient wie möglich zu beheben. Zeit für einen nervenaufreibenden Suchmarathon in einer Betriebsanleitung bleibt an dieser Stelle nicht.

 

Virtuelle Reparaturanleitungen – Service-Informationen mit AR

Wertvolle Zeit und Nerven durch die langwierige Suche nach den benötigten Informationen verlieren. Seitenlangen Dokumentationen, Benutzerhandbücher oder Service Manuals durchblättern, um am Ende doch einen Kollegen zu fragen oder frustriert aufzugeben: Der Einsatz von Augmented Reality verspricht diese Szenarien grundlegend zu verändern.

Augmented Reality, dt. erweiterte Realität, ermöglicht es die reale physische Welt um virtuelle, computergenerierte Informationen zu erweitern. Dadurch können Serviceinformationen kontextgebunden, multimedial und interaktiv in die Wahrnehmung des Betrachters integriert werden.

AR in der Automobilindustrie – Ein Beispiel

Die Automobilbranche ist stark geprägt von schnellen Modellwechseln, enormer Konfigurierbarkeit und zunehmender Vernetzung und Komplexität im Fahrzeugbau. Aufgrund dessen ist es nicht möglich, dass eine einzelne Person, in diesem Fall ein Fahrzeugtechniker, für alle eintretenden Servicefälle geschult wird. AR-Anwendungen können an dieser Stelle unterstützen. Sie führen den Techniker Schritt für Schritt durch die Reparatur: Vom Erkennen des Fahrzeugmodells über die Auflistung spezifischer Konfigurationen bis hin zur Problemdiagnose und durch den Reparaturprozess.

In Handlungsanleitungen werden Fahrzeugkomponenten von der AR-Anwendung erkannt und hervorgehoben. Weiter verdeutlichen Animationen und Richtungspfeile Bewegungsabläufe. Warnhinweise, benötigtes Werkzeug und Ersatzteile werden dynamisch eingeblendet, wenn sie für den Fahrzeugtechniker von Bedeutung sind. Selbst verborgenen Abläufen im Inneren des Fahrzeuges können mit AR sichtbar gemacht werden.

Alle Informationen werden direkt auf das "reale" Fahrzeug projiziert und in den Wahrnehmungsraum des Fahrzeugtechnikers eingebunden. Durch diese Form der Assistenz und die Visualisierung von Serviceinformationen direkt am Fahrzeug können selbst komplexe Handlungsabläufe einfach verständlich machen. Doch die Verwendungsmöglichkeiten von Augmented-Reality-Anwendungen gehen weit über dieses Beispiel hinaus.

AR in der Technischen Redaktion – Denkbare Szenarien

Einsatzmöglichkeiten reichen von der Visualisierung von Maschinenzuständen über intelligent bereitgestellte Reparaturanleitungen und Remote-Assistenz durch Experten bis hin zu Produktpräsentationen und Schulungen.
Im industriellen Kontext bietet die Nutzung von AR-Anwendungen insbesondere in den Bereichen Training, Wartung und Service einen Mehrwert. Benötigte Informationen können während des Trainings oder "on the Job" direkt ins Sichtfeld der Arbeiter integriert werden.

AR in der Industrie – Mehrwert oder Mehraufwand?

AR-Lösungen scheinen eine Reihe an Vorteilen zu bieten. Doch im Vergleich zu herkömmlichen Ausgabeformaten ist die Erstellung deutlich aufwendiger. Daher stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand für Anwender und Ersteller lohnt. Nachfolgend finden Sie 5 Gründe für den Einsatz von AR in der Technischen Redaktion, die Ihnen zeigen, wie Sie im Service Zeit sparen, Fehler reduzieren und Nerven schonen:

1. Finden statt Suchen
Ein AR-Erlebnis und seine Initiierung sind untrennbar mit dem Kontext verbunden. Ausgangsgrundlage für die Bereitstellung einer Information ist die reale Welt, eine bestimmte Situation oder ein spezifischer Nutzungskontext. Durch die Verbindung zur realen Welt erkennt die AR-Anwendung, in welcher Situation sich ein Anwender befindet. Basierend darauf werden die Informationen geliefert, die für die aktuelle Situation relevant sind. Daraus ergibt sich ein naheliegender Vorteil: Die Bereitstellung von Inhalten erfolgt automatisiert. Die lästige Suche nach den passenden Informationen wird durch die AR-Anwendung übernommen.

2. Informationen für den Anwender statt für die Dokumentation
Durch die Verkettung der Informationsbereitstellung mit dem realem Handlungskontext ergibt sich noch ein weiterer Vorteil: Bereits bei der Informationsbereitstellung stehen der Handlungskontext und die möglichen Nutzerszenarien im Vordergrund. Durch den Einsatz der AR-Technologie wandelt sich die Sichtweise. Im Fokus der Informationserstellung steht nicht länger der Dokumentationszweck, sondern maßgeschneiderte Information. Damit unterstützt Augmented Reality eine nutzerzentrierte Perspektive und den Grundgedanken, die Informationsvermittlung auf die aktuelle Situation, den Anwender und seine Bedürfnisse einzustellen. Bei Bedarf werden dem Anwender genau die Informationen zur Verfügung gestellt, die auf seine konkrete Situation, sein Aufgabenfeld und seinen individuellen Kenntnisstand zugeschnitten sind.

3. Komplexes leicht verständlich machen
Augmented-Reality-Anwendungen machen komplexe Informationen einfach. Visualisierungen, Animationen und Text werden im Wahrnehmungsraum des Anwenders dynamisch zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Informationen wie Handlungsanweisungen oder Komponentenbezeichnungen befinden sich nicht "starr" in einer Betriebsanleitung, sondern werden direkt auf die jeweilige Maschine oder Komponente projiziert. Dadurch benötigt der Anwender keine kognitive Kapazität für unnötige Transferleistungen oder den Wechsel zwischen unterschiedlichen Medien. Er kann sich vollständig auf die eigentliche Handlung und ihre Durchführung konzentrieren. Dabei wird er aktiv im Handlungsablauf unterstützt, statt immer wieder aus der Abfolge herausgerissen zu werden.

4. Anleitungen erleben statt durchlaufen
Im Fokus einer AR-Anleitung steht immer der Anwender. Seine Perspektive bestimmt auch die Perspektive auf die Information. Während der Anwender eine Handlung ausführt, wird er von der Anwendung gestützt. Gleichzeitig erfährt er die Handlung mit all seinen Sinnen. Schrittanleitungen werden nicht nur durchlaufen – Sie werden mit allen Sinnen erlebt und "begriffen".

5. Zentrales Informationsmanagement
Die AR-Technologie erlaubt es, Informationen aus unterschiedlichsten Quellen und Systemen zu vereinen. Selbst Prozessschritte, die normalerweise in unterschiedlichen Systemumgebungen durchgeführt werden, können in einer AR-Anwendung zusammengeführt werden. Dadurch ist es möglich, sämtliche Prozessschritte von der Annahme der Reparatur bis hin zur Ersatzteilbestellung und der Reparaturdokumentation zentral in einem System durchzuführen. Die Folge: Informationen und Prozesse werden leichter zugänglich und transparenter.

Daten, Technologie und Wissen – Die Basis von AR

Jede AR-Anwendung erfordert Inhalte. Ein Großteil der benötigten Ausgangsdaten wie Produktinformationen, Handlungsanleitungen oder 3-D-Modelle ist in den meisten Unternehmen bereits vorhanden.
Neben den eigentlichen Inhalten werden auch Technik und interdisziplinäres Know-How gebraucht. Ersteller benötigen:

  • Fähigkeiten im Umgang mit der benötigten Hardware und Software
  • Wissen über das dokumentierte Produkt
  • Wissen und Erfahrung beim Konzipieren multimedialer Inhalte
  • Fertigkeiten zum Erstellen der benötigten AR-Inhalte
  • Dreidimensionales Vorstellungsvermögen und grafisches Denken

Bei diesen Anforderungen stellt sich die Frage: Welche Abteilung in Ihrem Unternehmen sollte mit der Umsetzung einer AR-Reparaturanleitung beauftragt werden?

Wer kümmert sich um die Umsetzung?

Die Antwort auf diese Frage lautet: die Technische Redaktion.

Die Erstellung einer AR-Anwendung lässt sich im herkömmlichen redaktionellen Prozess verorten. Genau wie bei "normalen" Betriebsanleitungen sind bestimmte Schritte zur Erstellung der Information notwendig. Inhalte müssen zusammengetragen und verständlich aufbereitet werden.

Da die Erstellung einer AR-Anwendung aufwendig ist, ist es wichtig, dass die Grundlagen des redaktionellen Arbeitens in der Technischen Redaktion auf den Erstellungsprozess einer AR-Reparaturanleitung angewandt werden: Modularisierung, Single-Source-Publishing, Wiederverwendung und Variantenmanagement können ebenso wie Publikations- und Updateprozesse auf die Erstellung von AR-Anleitungen übertragen werden und den Erstellungsprozess von AR-Anwendungen optimieren und deutlich effizienter gestalten.

Idealerweise entwickeln die Redakteure eine AR-Reparaturanleitung nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit den Service-Kräften. Zum einen, weil sie über das notwendige fachliche Wissen verfügen. Zum anderen da es sinnvoll ist, die Zielgruppe so früh wie möglich in den Erstellungsprozess zu integrieren, um die Akzeptanz der Anwendung zu fördern.

Wie werden AR-Reparaturanleitungen erstellt?

Genau wie beim traditionellen Erstellen einer Service-Dokumentation benötigen die Ersteller von AR-Serviceinformationen ein Autorentool. Wünschenswert wäre eine Entwicklungsumgebung, die

  • eine skalierbare Erstellung von AR-Anwendungen ermöglicht
  • Schnittstellen zu Informationsquellen wie CCMS, SAP oder PIM bietet
  • redaktionelle Prozesse und Wiederverwendbarkeit optimal unterstützt
  • automatisierte Prozesse für Erstellung, Änderung und Übersetzung der AR-Anwendung bereitstellt
  • einen vordefinierten Bausatz an Standard-Funktionalitäten beinhaltet
  • einen individuell erweiterbaren Funktionsumfang bietet

Bisher gibt es nur ein begrenztes Angebot an industriell einsetzbaren Autorenumgebungen zur Erstellung von AR-Anwendungen. Je nach Auswahl der Software bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, bei denen überwiegend Kompromisse zwischen Skalierbarkeit und Funktionsumfang gemacht werden müssen. Doch unabhängig von der Wahl des Autorentools birgt der Entschluss, eine AR-Lösung zu fokussieren, einiges an Aufwand: Einführung der Software, Konzeption, Umsetzung und Schulungen für beteiligte Mitarbeiter. Da stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis steht.

Wann lohnt sich der AR-Einsatz?

Der Service kann von AR-Inhalten profitieren. Ob sich der Einsatz jedoch auszahlt, entscheidet der Anwendungsfall. Ist dieser Anwendungsfall zu simpel oder handelt es sich um eine alltägliche Aufgabe, ist der erhöhte Erstellungsaufwand kaum zu rechtfertigen. Doch insbesondere bei selten ausgeführten komplexen Handlungsschritten, bei vielen Produktvarianten oder bei hohen Sicherheitsanforderungen spielt AR seine Stärken aus und bietet einen großen Mehrwert. Der Entscheidung zu einer AR-Lösung sollte daher immer eine detaillierte Analyse von Zielgruppe, Anwendungsfall und Kosten-Nutzen-Verhältnis vorausgehen.
Wenn Sie wissen möchten, ob sich Ihr Anwendungsfall für eine AR-Lösung eignet oder Sie eine AR-Anwendung in Ihren Redaktionsprozess integrieren wollen, kontaktieren Sie uns. Wir beraten Sie gern und stehen Ihnen als Partner bei Ihren Herausforderungen zur Seite.